Das Telfer Schleicherlaufen ist eine der großen, lebendigen Traditionsfasnachten Tirols. 2010 von der UNESCO zum nationalen immateriellen Kulturerbe erklärt, ist es ein Musterbeispiel für ungebrochen vitales und von der Bevölkerung gelebtes Brauchtum. Ein Beweis dafür ist u.a. die Tatsache, dass die Telfer Fasnacht – auch wenn sie einem komplexen System von Regeln und Überlieferungen folgt – nach wie vor Wandlungen und Erneuerungen unterworfen ist und auch neue Gruppen bzw. neue Figuren Aufnahme finden. Die Lebendigkeit des Volksbrauches zeigt sich auch in der außerordentlichen Begeisterung der Telfer Bevölkerung, die in den Wochen und Monaten vor dem großen Ereignis in ein wahres „Fasnachtsfieber“ verfällt.
Am Telfer Schleicherlaufen 2025 nehmen insgesamt 508 aktive Fasnachtler teil, die in 14 Gruppen (siehe weiter unten) plus Fasnachtskomitee organisiert sind. Der jüngste Teilnehmer ist 7 Jahre, der älteste 86 Jahre alt.
Allgemeines und Volkskundliches
Die zentralen Figuren der Telfer Fasnacht sind die Schleicher, die zum Klang schwerer Schellen einen mystisch anmutenden Kreistanz vollführen. Anders als die Schemengestalten anderer Tiroler Fasnachten tragen die Telfer Schleicher mit verschiedensten Motiven individuell gestaltete Hüte, die einen Meter und mehr hoch sind. Die Gesichter der Schleicher sind hinter Masken aus feinen Drahtgittern verborgen, die ihnen ein jünglinghaftes Aussehen geben. Ebenfalls einzigartig sind die Telfer „Wilden“. Sie tragen Holzmasken und Gewänder aus Baumbart, einer Baumflechte. Schleicher und Wilde dürften die ältesten Figuren der Fasnacht sein und gehen möglicherweise auf kultisch-rituelle Wurzeln zurück.
Über den Ursprung des Telfer Schleicherlaufens – und der Tiroler Fasnachten überhaupt – gibt es zahlreiche Mutmaßungen und Hypothesen. Die weit verbreiteten Theorien, die in den Fasnachtsbräuchen Überbleibsel vorchristlicher Rituale sehen und hinter ihnen das symbolische Austreiben des Winters, Fruchtbarkeitskulte und ähnliches vermuten, werden heute in der Fachwelt mit Skepsis gesehen. Der tatsächliche Ursprung all dieser Bräuche liegt im Dunkeln. Unbestreitbar bleibt jedoch, dass die dominierenden Elemente der Fasnacht – Masken, Tanz, Schauspiel, Identitätswechsel durch Verkleidung, das Spiel mit der „verkehrten Welt“, intensives Gruppenerlebnis – seit jeher große Faszination auf die Menschen ausüben und lange Tradition haben.
Historische Daten
Dass die Ursprünge und Hintergründe der Fasnachten nicht mit letzter Sicherheit zu erfassen sind, ist vor allem ein Problem der fehlenden Quellen. Für Telfs gibt es wirklich gesicherte Überlieferungen erst seit der frühen Neuzeit. Der früheste Hinweis auf ein Maskentreiben im Ort stammt aus dem Jahr 1571. Weitere Belege, dass in Telfs eine Fasnacht gehalten wurde, stammen aus Gerichtsprotokollen der Jahre 1605, 1612, 1621 und 1631.
Für 1749 belegt ein im Telfer Pfarrarchiv erhaltener Ablassbrief bereits ein mehrtägiges Fasnachtstreiben. Aus dem Jahr 1830 stammt die erste ausführliche Beschreibung des Schleicherlaufens, aus der hervorgeht, dass die Kerngruppen – Schleicher, Bären, Laninger u. a. – bereits bestanden.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhält der Telfer Fasnachtszug – auch durch die Mitwirkung namhafter Künstler – jene Gestalt, die im Wesentlichen bis heute beibehalten wurde. Seit 1890 wird das Schleicherlaufen alle fünf Jahre abgehalten. Unterbrechungen gab es lediglich während der beiden Weltkriege und im Nachkriegsjahr 1920.
Die Gruppen - kurz vorgestellt
Die Sonne zieht am Morgen (ca. 07:00 Uhr) durch den Ort und bittet um gutes Wetter. Seit 1890 soll es noch keine Fasnacht verregnet haben.
Die Herolde bestehen aus mehreren Reitern in historischer Tracht, die dem um 11 Uhr auf dem ersten Spielplatz startenden Zug voranreiten und die Fasnacht ankündigen.
Die Musibanda setzt sich aus den Mitgliedern der Marktmusikkapelle Telfs zusammen.
Die Jahreszeiten sind eine stille, aber umso beeindruckendere Gruppe, die aus Reitern besteht, welche Frühling, Sommer, Herbst und Winter darstellen.
Die Wilden sind in Baumbart gehüllte, mythisch anmutende Gestalten, die auch als Ordner des Zugs auftreten. Die Hauptrotte der Wilden führt den lärmenden, schreienden und Tschinellen schlagenden „Panzenaff“ mit.
Die Schleicher sind die Kerngruppe der Telfer Fasnacht. Sie tragen kunstvolle, individuell gestaltete Hüte und große Schellen. Sie schreiten bzw. „tanzen“ in rituell anmutender Schrittfolge einen Kreis. Die Gruppe besteht einschließlich der im Inneren des Kreises agierenden Figuren aus mehr als 80 Teilnehmern. Den Schleichern voraus springt der „Laterntrager“, eine harlekinsartig gekleidete, aber würdig und rituell anmutende Gestalt, deren Ursprung der Volkskunde Rätsel aufgibt.
Die Bären und Exoten sind ebenfalls eine zahlenmäßig starke Gruppe. Sie bieten ein buntes Bild exotischer Tiere und Kostüme und führen akrobatische Kunststücke vor. In ihrer „Menagerie“ finden sich neben den von ihren Treibern geführten Bären auch ein lebensgroß nachgebauter Elefant, ein Kamel und eine Schildkröte, in der ein Fasnachtler steckt.
Die Laninger parodieren die früher in Tirol alltäglichen landfahrenden Karrner. Sie führen beim Umzug ihren historischen Laningerkarren und den „Naz“ mit, eine mehr als hundert Jahre alte Puppe, die zum Symbol der Telfer Fasnacht geworden ist.
Die Vogler werden von den Mitgliedern des Männergesangsvereines gestellt. Sie sind die erste der karnevalistischen bzw. komödiantischen Gruppen und kommentieren auf ihrem Wagen satirisch das Dorfgeschehen der letzten fünf Jahre.
Das Galtmahd und die Beasn Buam nehmen ebenfalls von ihren Wagen aus mit Sprüchen und Spielszenen aktuelle Zu- und Umstände aufs Korn.
Auch der Bachouf`n, der sich aus den Mitgliedern der Volksbühne Telfs rekrutiert, und die Kurpfuscher verstehen sich als kritisch-satirischer Spiegel des Zeitgeschehens.
Den Schluss des Zuges bilden die Soafnsiader.
Das für die Organisation zuständige Komitee unter dem Vorsitz des Fasnachtsobmanns, der traditionellerweise der jeweils amtierende Bürgermeister ist, trägt zwar zum Gelingen der Telfer Fasnacht wesentlich bei, nimmt jedoch nicht aktiv am Umzug teil.